Die auferstandenen Gänse

Gaense

Die auferstandenen Gänse

   Nach 1945 ging es den meisten sächsischen Familien sehr schlecht. Da mußten auch die Kinder tüchtig mithelfen um das tägliche Auskommen zu sichern. Oft suchten da die Mädchen in der nahegelegenen Stadt Mediasch einen Dienst bei reichen rumänischen oder ungarischen Familien. So fand auch dieses Mädchen, von dem ich nun erzählen möchte, eine Arbeit in einem rumänischen Haus das am Stadtrand lag. Diese Lage ausnutzend, hatte diese Familie auch Hühner und Gänse, die tagsüber oft das Weite suchten und nur abends nach Hause zurückkehrten.
Eines morgens, als dieses Mädchen Hühner und Gänse herauslassen sollte, fand es alle Gänse "tot" im Stall auf. Erschrocken wurde die Herrschaft benachrichtigt. Als
diese den Tatbestand zur Kenntnis genommen hatte, gab sie dem Mädchen den Befehl, alle Gänse zu rupfen, um wenigstens die Daunen zu retten. Da unser Mädchen sehr gewissenhaft war, verrichtete es auch diese Arbeit gründlich und die gerupften Gänse steckte es in einen alten zerrissenen Sack, legte ihn in einen Schubkarren und fuhr die Gänse an die Kokel, wo sich ein Müllplatz befand.
Am nächsten Tag, etwa 10 Uhr vormittags, man traute den eigenen Augen nicht, erschienen die gerupften Gänse im Gänsemarsch wieder im Hof. Das Wunder war perfekt. Wie konnte so etwas nur möglich sein? Schließlich kam man drauf. Tage zuvor hatte man in einem Glas mit Sauerkirschen einen Likör angesetzt. Nachdem der Likör fertig war, wurde dieser in Flaschen abgefüllt und die Sauerkirschen auf den Misthaufen geworfen. Die Gänse hatten diese hier gefunden und gefressen. Darauf waren sie alle so besoffen, daß sie für tot gehalten wurden. Da die Nächte schon kühl wurden und es auch schon kalte, regnerische Tage gab, wurde für jede Gans ein Kleidchen angefertigt, das so lange getragen wurde, bis die eigenen Federn nachgewachsen waren. Heute lebt unser Dienstmädchen in der Bundesrepublik und erinnert sich noch manchmal an diese Tage.

Mathias Pelger.

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