Die Taufe
Durch die "Taufe"
wurde das Kind in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. Früher erfolgte
die Taufe wegen der hohen Kindersterblichkeit ein paar Tage nach der Geburt.
Starb ein Kind ungetauft, so der Volksglaube, kam es nicht in den Himmel (deshalb
auch die vielen Nottaufen, die zu Hause über dem Tisch stattfanden und
im Notfall auch ohne den Pfarrer durchgeführt wurden). In unserem Jahrhundert
erfolgte die Taufe erst vier bis sechs Wochen nach der Geburt im Rahmen eines
Gottesdienstesin Anwesenheit der Eltern, Großeltern und Paten. Dieses
geschah nach der Predigt und wurde eingeleitet durch das Lied "Herr dies
Kindlein bringen wir". Bis zur Auswanderung wurden in Almen alle Kinder
getauft. Es wäre kein Almer auch nur auf den Gedanken gekommen, sein
Kind nicht taufen zu lassen.
Früher wurde eine unverheiratete
werdende Mutter aus der Schwesterschaft ausgeschlossen. Sie durfte den Borten
nicht mehr tragen und sich nicht mehr zu den Mägden setzen. Sie saß
dann während des Gottesdienstes bei den Frauen. Auch der Vater des Kindes
wurde aus der Bruderschaft ausgeschlossen und durfte nicht mehr auf der Empore
sitzen. Von nun an war sein Platz bei den Männern. Das Neugeborene hieß
man "Laweskengd" (Liebeskind).
Und nun zum Taufakt: Schon am Vorabend hatte der Vater zwei schwere
Aufgaben zu erfüllen. Er mußte persönlich die Taufe beim Pfarrer
anmelden und die vorgesehenen Taufzeugen bitten, die Patenschaft zu übernehmen.
In Almen war die Zahl der Taufpaten (Potten) und Taufpatinen (Guden) nicht
festgesetzt, meistens waren es aber zehn bis zwölf. In die Taufmatrikel
allerdings wurden bloß vier eingetragen. Die "Potten" und
"Giuden" wurden aus dem engeren Verwandtenkreis genommen oder es
waren gute Freunde der Eltern des Täuflings.
Die Einladung erfolgte mit
einer feststehenden Rede, die auswendig gelernt werden mußte. Nach Sonnenuntergang
machte sich der Vater des Täuflings in Kirchentracht auf den Weg, um
die Taufpaten einzuladen. Dies tat er mit den Worten: "Ir ward jo
wässen, dat aser Herrgott es mät em Sinschen / Diuchterchen gesejent
huot. Moren wallen mir et zer helichen Duft dröhn. Ech bän zea deser
speten Owendstangd zea ech kun, am äsen Hans/ Hanni ze bidden, eas ols
Pott/ Giud bäzestohn" (Ihr werdet ja wissen, daß unser
Herrgott uns mit einem Söhnchen/ Töchterchen gesegnet hat. Morgen
wollen wir es zur Heiligen Taufe tragen. Ich bin zu dieser späten Abendstunde
zu euch gekommen, um unseren Hans/ Hanni zu bitten, uns als Pate/ Patin beizustehen).Die
Angesprochenen antworteten: "Won Gott der Herr es geseangd erhält,
wallen mer garen äs Pflicht uch Schäldeget deahn" (Wenn
Gott der Herr uns gesund erhält, wollen wir gerne unsere Pflicht und
Schuldigkeit tun). Nach einem kurzen Gespräch, in den es meist um das
Wohlergehen der Mutter und des Kindes ging und nach einem kurzen Ehrentrunk
setzte der Vater des Täuflings den Weg zu den anderen vorgesehenen Taufpaten
fort.
Am selben Abend meldete der Vater auch dem Pfarrer die Taufe mit folgenden
Worten an: "Wohlehrwürdiger Herr Vater, wie ihnen wisslich ist,
hat uns Gott der himmlische Vater in diesem Jahr mit einem Söhnchen/
Töchterchen gesegnet. Nun wollte ich sie bitten, Sie wollten von der
Güte sein, ihn/ sie in der heiligen Kirche auf unseren christlichen Glauben
zu taufen."Nach einigen besinnlichen Worten über den Segen der
Taufe und nach Erledigung der schriftlichen Formalitäten (Eintragung
in das Familienbuch und in die Taufmatrikel) entließ der Pfarrer den
Vater mit einem Segenswunsch an Kind und Eltern.
Am Sonntag gingen die Paten
wie gewöhnlich zur Kirche, während sich die Patinen im Hause der
jungen Eltern einfanden. Beim Betreten des Taufhauses sagten die Patinen:
"Entschäldicht meng Frohiet" (Entschuldigt meine Freiheit),
darauf wurde geantwortet: "Näst gefehlt, et äs äs Wänsch"
(Nichts gefehlt, es war unser Wunsch). Zur Kirche wurde der Täufling
von der Hebamme oder einer der Patinen getragen. Beim Verlassen des Hauses
sagte die älteste Patin: "En Heiden drou mer" (einen
Heiden tragen wir) und nach vollzogener Taufe beim Betreten des Hauses: "En
Chrästen brongen mer" (einen Christen bringen wir). Die Gesellschaft
begab sich nun zur Kirche, wo der Gottesdienst schon im Gange war. Nachdem
die Gemeinde den Choral "Herr, dies Kindlein bringen wir..." angestimmt
hatte, trat die Taufgesellschaft ins Gotteshaus und ging nach vorne ins Chor,
in dessen Mitte das Taufbecken stand. Die Paten erhoben sich von ihren Plätzen
und nahmen ebenfalls Stellung neben dem Taufbecken. Die Mutter setzte sich
nach vorne in die erste Bank, die sogenannte Patinenbank (=Giudenbunk).
Nach Vollendung der Taufe durch
den Pfarrer legten die Paten einige Münzen ins Taufbecken (für den
Burghüter) und gingen zurück zu ihren Plätzen. Die Patinen
trugen den Täufling um den Altar. Dabei legten sie Geld auf den Altar,
das für den Pfarrer bestimmt war. Dann gingen sie zur Patinenbank und
übergaben das Kind der Mutter. Diese trat gemeinsam mit der Patin, die
das Kind getragen hatte, vor den Altar und empfing den Segen des Pfarrers.
Während dieser Zeit saß der Rest der Giuden in der Giudenbank.Nach
der Einsegnung ging die Mutter nochmals um den Altar und verließ dann
zusammen mit den Patinen unter Orgelbegleitung das Gotteshaus. Nachdem die
Giuden die Mutter begleitet hatten, gingen sie nach Hause um sich umzuziehen
und erschienen dann, gemeinsam mit den Paten und anderen geladenen Gästen
zum Mittagessen im Taufhaus. Es wurde eine Hühnersuppe mit Fleisch, sowie
Tomatensoße aufgetischt. Nach dem Essen gab es Striezel und Hanklich.
Dabei unterhielt man sich bei einem guten Glas Wein. Am späten Nachmittag
hielt der älteste Pate eine kurze Ansprache; dann wurde für das
Patenkind eine kleine Spende überreicht.
Mit der Abendglocke klang das Fest aus und jeder
Teilnehmer bekam ein Päckchen mit Hanklich und Striezel mit nach Hause.
In den nächsten Tagen brachten sämtliche Giuden und die Frauen der
Paten der neuen Gefatterin je dreimal Suppe, Braten und Kuchen. Das
Patenkind ging bis zu seiner Konfirmation zu den Paten und Giuden zu Neujahr
mit einem Neujahrswunsch und erhielt dafür in ein Tüchlein gewickelt
Äpfel, Nüsse und Bonbons, später dann Schokolade und Geld.
Zu Ostern erhielt es gefärbte Eier und ein kleines Geschenk.
Aus dem Almer Heimatbuch
von
Mathias Pelger