Vom guten Ton der siebenbürger Sachsen

Brauchtum - Sprüche

 

             


           
       Die moralischen Grundsätze der Siebenbürger Sachsen - ihren « Guten Ton » - finden wir in Sprüchen auf Hausgiebeln, Haushaltsgeräten, Stickereien, Keramik oder Möbeln vereinigt. Diese Sprüche, die sich bis in frühe Jahrhunderte zurückverfolgen lassen, erfahren ihre weiteste Verbreitung im vergangenen Jahrhundert. Da die Erziehungsmethoden heute vielseitiger sind, nahm die Notwendigkeit dieser Sprüche ab, viele geraten in Vergessenheit.
Die deutschsprachigen Sprüche der Siebenbürger Sachsen haben weltanschaulichen Inhalt oder beziehen sich auf die Tätigkeit besonders der Landbevölkerung, auf Charaktereigenschaften und auf soziale Probleme, wobei der sächsische Mutterwitz mit seiner natürlichen Derbheit oft zur Geltung kommt. Ein Teil des Spruchgutes kann als Zeitdokument gewertet werden, während andere zeitlos sind, da ihr Inhalt allgemein menschliche Werte vermittelt.

Ein Haus zu bauen braucht Geschick,
Ein Haus zu haben ist ein Glück,
Drinnen glücklich leben -Meisterstück.

Diese anmutigen und gültigen Zeilen sind auf einem Haus in Vurpâr (Kreis Sibiu) zu lesen. Auf den Hausbau als eine Lebensarbeit des siebenbürgisch-sächsischen Bauern beziehen sich viele Sprüche. Der eigenwillige Stolz des Hausherrn äußert sich deutlich in folgendem Spruch aus Saschiz (Kreis Brasov):

Ich hab' gebaut nach meinem Sinn,
Wer sehen will, kommt näher hin,
Dem es nicht gefällt,
Der bau' für sein Geld,
Wie es ihm gefällt.

Manchmal geben die Sprüche auf den Hausgiebeln auch Aufschluss über delikate Familienverhältnisse:

Wird mir mein Schwiegervater Geld vorstrecken,
Werd' ich das Haus mit Ziegeln decken.
                                                                 
 (Seligstadt)

Daß der Hausbau schon immer eine teure Angelegenheit war, beweisen andere Sprüche. So hat ein Bauer im Jahre 1823 auf einen Dachknauf in Voila (Kreis Brasov) folgende Schlußfolgerung eingeritzt:

Bauen ist eine schöne Kunst,
Aber was es hat gekost',
hab ich nicht gewußt,
Vivat, der Wirt soll leben!

Übrigens erweist sich in den Sprüchen das Haus als bewußtes Familiengut, das mehreren Generationen zugedacht ist:

Siebzig Jahr' alt, sprich drei minder,
Gründete für Kindeskinder
Dieses Haus Johannes Binder.
                                      
(Agnetheln)

               oder

Dieses Haus ist mein und doch nicht mein,
Der nach mir kommt, dem wird es sein,
Dem dritten wird es übergeben.
Es kostet ihm sein eigen Leben,
Den vierten trägt man auch hinaus,
Nun ist die Frage: Wem war das Haus?
                                
(Tekes, Kreis Brasov)

Für alle seine Nachkommen schrieb ein Durleser auf seinen Hausgiebel:

Mit Weisheit wird das Haus gebaut
Und mit Verstand erhalten.

Obwohl dem siebenbürgisch-sächsischen Bauern das Gefühl nicht abgesprochen werden kann, bevorzugt er bei Entscheidungen den Verstand. Daraus ergeben sich Grundsätze, die nicht nur für die Sicherstellung des einzelnen, sondern auch für den Bestand der Gesellschaft notwendig waren und sind, und die für jung und alt eine Schule des Lebens, der Erfahrung darstellen. Fleiss, Ehrlichkeit, Treue, Freundschaft, Genügsamkeit usw. werden durch eine lange Reihe von Sprüchen als lebensnotwendige Verhaltensmassregeln angepriesen. In diesem Sinn hat schon im Jahre 1792 eine gewisse Sofia Binder auf ein Ofentuch mit einfachen Worten den Leitfaden ihres Lebens gestickt:

 

Lust und Lieb' zu einem Ding,
Machet Müh' und Arbeit gering.

Während in Crit (Kreis Brasov/Kronstadt) dieselbe Erfahrung einen Hausgiebel schmückt:

Mein Kapital ist Arbeit bloss,
Das leg ich in der Erde Schoss
Auf hohe Zinsen nieder.
Und diese gibt mir allemal
Die Zinsen samt dem Kapital
Vielhundertfältig wieder.

Aber auch darauf zielen manche Sprüche ab, dass die ehrliche Arbeit nicht immer auch die größten Gewinne einbringt. In Saschiz (Kreis Mures) finden wir folgende Hausinschrift:

Ehrlich sein trägt wenig ein,
Trägt ehrlich sein, gleich wenig ein,
So will ich dennoch ehrlich sein.

                       Johann Ehrlich, 1824

Viele Sprüche befassen sich mit der Freundschaft, mit Missgunst und Neid. Der eigene durch Jahrhunderte geprägte Gerechtigkeitssinn der Siebenbürger Sachsen konnte sich auch in eine rechthaberische Kleinlichkeit verkehren Kennzeichnend dafür ist der Spruch auf einem bemalten Kasten, der aus der Sammlung von Emil Sigerus stammt und im Jahre 1615 von einem gewissen Georg Sidneri angefertigt wurde. Fragmentarisch ist darauf zu lesen:

Dornen und Disteln stechen sehr,
Falsche Zungen noch mehr...

während die Worte:

Sieh' auf dich und nicht auf mich,
Wo ich fehle, bessere dich.
Es leben gute Freunde,
Der Teufel hol die Feinde.

einer Hausfassade in Netus (Kreis Sibiu) entnommen sind. Am bekanntesten dürfte allerdings der sowohl in der Zibinsebene als auch im Kokeltal in verschiedenen Varianten vorkommende Spruch sein:

Ich liebe die Gerechtigkeit
Und halte nichts vom Prahlen,
Wem ich als Freund nicht gut genug
Der lass' sich einen malen.

Und mit Humor heißt es in Grosscheuern (Kreis Sibiu):

Wenn Neid und Mißgunst brennt wie Feuer,
So wär' das Holz nicht halb so teuer.

Dagegen vermerken wir im Unterwald (Petersdorf, Kreis Alba) den Rat:

Spricht jemand schlecht von dir, so sei es ihm erlaubt,
Du aber lebe so, daß keiner es ihm glaubt.

Wenn wiederholt im siebenbürgisch-sächsischen Sprachgut der Bauernstolz hervorgekehrt wird,

Wenn ich am Morgen früh aufsteh'
Und munter an die Arbeit geh'
Sing' ich ein Lied,  was mir bekannt:
«Ich lobe mir den Bauernstand.»

                                    (Bod)

so trifft dieses dennoch nicht immer und auf jede Zeit zu. Das Märchen von den «guten alten Zeiten» kann neben den zwei folgenden Sprüchen nicht bestehen:

Kummer, Sorgen, Angst und Not,
Krankheit und zuletzt der Tod.

(Überlieferte Hausinschrift aus Regen)

 

Es thuen mange für mich sorgen
Und haben mir nichts zu leihen, noch zu borgen.
Ein jeder sorg' für sich und nicht vor mich.
Hat er viel, so hüt' er sich.

                        (Auf einem Keramikteller des 18.Jh.)

Halten wir noch fest, daß die Siebenbürger Sachsen auch ihre Lebenslust in Sprüche zu kleiden wußten. Sei es, daß sie sich dabei scherzhaft gegen weibliche «Fehler» wandten,

Was du willst verschwiegen haben,
Sollst du keinem Weibe sagen.
(Denn da ist's verschlossen,
Wie Wasser in ein Sieb gegossen.)

                    (Vulcan. bei Schässburg)

sei es, daß sie - und nicht nur im Weinland - dem Rebensaft huldigen:

Ei du edler Rebensaft,
Du gibst meinem Leben Kraft,
Du hebst mich auf und legst mich nieder,
Ich stehe auf und trink dich wieder.

Dieser Spruch - wie kann es auch anders sein - ist über Kellertüren zu lesen.

In Almen, am Haus des Michael Schmidt, hieß es:

Mit Fleiß und Arbeit nur allein,
kann man in Almen glücklich sein.

oder am Haus des Michael Eitel:

Alles in der Welt ist Eitel.

Am Haus des Andreas Krestel stand:

Das Haus ist neu,
alt bleibt die Treu.
Und wenn's zerfällt,
die Treue hält.

 

 

Und hier noch zwei Weisheiten.

Das beste was man vom Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut.

und:

Die alte Gepflogenheit, zu Fuß zu gehen, ist sicherlich der beste Schutz gegen Herzkrankheiten. Diese Methode hat zudem den Vorteil:
Billig, zuverlässig und leicht erlernbar zu sein.

 


 

Quelle:
Komm mit 72
Verlag Neuer Weg Bukarest 1972

(1082 Wörter in diesem Text)
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