Die moralischen Grundsätze der Siebenbürger
Sachsen - ihren « Guten Ton » - finden wir in Sprüchen auf Hausgiebeln, Haushaltsgeräten,
Stickereien, Keramik oder Möbeln vereinigt. Diese Sprüche, die sich bis in frühe
Jahrhunderte zurückverfolgen lassen, erfahren ihre weiteste Verbreitung im vergangenen
Jahrhundert. Da die Erziehungsmethoden heute vielseitiger sind, nahm die Notwendigkeit
dieser Sprüche ab, viele geraten in Vergessenheit.
Die deutschsprachigen Sprüche der Siebenbürger Sachsen haben weltanschaulichen
Inhalt oder beziehen sich auf die Tätigkeit besonders der Landbevölkerung, auf
Charaktereigenschaften und auf soziale Probleme, wobei der sächsische Mutterwitz
mit seiner natürlichen Derbheit oft zur Geltung kommt. Ein Teil des Spruchgutes
kann als Zeitdokument gewertet werden, während andere zeitlos sind, da ihr Inhalt
allgemein menschliche Werte vermittelt.
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Diese anmutigen und gültigen Zeilen sind auf einem Haus in Vurpâr (Kreis Sibiu)
zu lesen. Auf den Hausbau als eine Lebensarbeit des siebenbürgisch-sächsischen
Bauern beziehen sich viele Sprüche. Der eigenwillige Stolz des Hausherrn äußert
sich deutlich in folgendem Spruch aus Saschiz (Kreis Brasov):
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Manchmal geben die Sprüche auf den Hausgiebeln auch Aufschluss über delikate
Familienverhältnisse:
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Daß der Hausbau schon immer eine teure Angelegenheit war, beweisen andere Sprüche.
So hat ein Bauer im Jahre 1823 auf einen Dachknauf in Voila (Kreis Brasov) folgende
Schlußfolgerung eingeritzt:
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Übrigens erweist sich in den Sprüchen das Haus als bewußtes Familiengut, das
mehreren Generationen zugedacht ist:
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oder
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Für alle seine Nachkommen schrieb ein Durleser auf seinen Hausgiebel:
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Obwohl dem siebenbürgisch-sächsischen Bauern das Gefühl nicht abgesprochen werden kann, bevorzugt er bei Entscheidungen den Verstand. Daraus ergeben sich Grundsätze, die nicht nur für die Sicherstellung des einzelnen, sondern auch für den Bestand der Gesellschaft notwendig waren und sind, und die für jung und alt eine Schule des Lebens, der Erfahrung darstellen. Fleiss, Ehrlichkeit, Treue, Freundschaft, Genügsamkeit usw. werden durch eine lange Reihe von Sprüchen als lebensnotwendige Verhaltensmassregeln angepriesen. In diesem Sinn hat schon im Jahre 1792 eine gewisse Sofia Binder auf ein Ofentuch mit einfachen Worten den Leitfaden ihres Lebens gestickt:
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Während in Crit (Kreis Brasov/Kronstadt) dieselbe Erfahrung einen Hausgiebel schmückt:
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Aber auch darauf zielen manche Sprüche ab, dass die ehrliche Arbeit nicht immer
auch die größten Gewinne einbringt. In Saschiz (Kreis Mures) finden wir folgende
Hausinschrift:
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Viele Sprüche befassen sich mit der Freundschaft, mit Missgunst und Neid. Der eigene durch Jahrhunderte geprägte Gerechtigkeitssinn der Siebenbürger Sachsen konnte sich auch in eine rechthaberische Kleinlichkeit verkehren Kennzeichnend dafür ist der Spruch auf einem bemalten Kasten, der aus der Sammlung von Emil Sigerus stammt und im Jahre 1615 von einem gewissen Georg Sidneri angefertigt wurde. Fragmentarisch ist darauf zu lesen:
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während die Worte:
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einer Hausfassade in Netus (Kreis Sibiu) entnommen sind. Am bekanntesten dürfte allerdings der sowohl in der Zibinsebene als auch im Kokeltal in verschiedenen Varianten vorkommende Spruch sein:
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Und mit Humor heißt es in Grosscheuern (Kreis Sibiu):
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Dagegen vermerken wir im Unterwald (Petersdorf, Kreis Alba) den Rat:
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Wenn wiederholt im siebenbürgisch-sächsischen Sprachgut der Bauernstolz hervorgekehrt wird,
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so trifft dieses dennoch nicht immer und auf jede Zeit zu. Das Märchen von
den «guten alten Zeiten» kann neben den zwei folgenden Sprüchen nicht bestehen:
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Halten wir noch fest, daß die Siebenbürger Sachsen auch ihre Lebenslust in Sprüche zu kleiden wußten. Sei es, daß sie sich dabei scherzhaft gegen weibliche «Fehler» wandten,
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sei es, daß sie - und nicht nur im Weinland - dem Rebensaft huldigen:
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Dieser Spruch - wie kann es auch anders sein - ist über Kellertüren zu lesen.
In Almen, am Haus des Michael Schmidt, hieß es:
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oder am Haus des Michael Eitel:
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Am Haus des Andreas Krestel stand:
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Und hier noch zwei Weisheiten.
Das beste was man vom Reisen nach Hause bringt, ist die heile Haut.
und:
Die alte Gepflogenheit, zu Fuß zu gehen, ist sicherlich der beste Schutz
gegen Herzkrankheiten. Diese Methode hat zudem den Vorteil:
Billig, zuverlässig und leicht erlernbar zu sein.
Quelle:
Komm mit 72
Verlag Neuer Weg Bukarest 1972