aus dem „Almer Heimatbuch“
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Der Hochzeitszug führte unter den fröhlichen Klängen der Musik aufs
Hochzeitshaus wo die
jungen Leute wohnen sollten. Dort war im Hof schon ein mit einem gesticktem
Tischtuch schön
gedeckter Geschenktisch
für das "Gouwen" (Beschenken) bereitgestellt. Das Brautpaar und die
Wortmänner stellten sich dahinter. Nachdem sich alle Hochzeitsgäste in einem
weiten Kreis aufgestellt
hatten, begann der Wortmann mit seiner Rede: „Liebe Hochzeitsgäste. In Gegenwart
unserer aller hat
sich das Brautpaar das Jawort in unserer heiligen Kirche gegeben. Nun sollen
sie eine neue, eine
eigene Wirtschaft gründen. Sie sind zwar reich an Liebe und guten Vorsätzen
aber arm an irdischen
Gütern. Nun wollen wir ihnen helfen, je nach Kraft und Möglichkeit. Ich mache
den Anfang mit den
Worten "En klein Gouw, en griuß Frengdscheft" (eine kleine Gabe, eine
große Freundschaft).
Dann überreichte er sein Geschenk. Es folgten die Männer und Burschen, anschließend
die Frauen
und Mädchen. In einer langen Reihe gingen alle Hochzeitsgäste am Gabentisch
vorbei, legten ihr
Geschenk darauf und wünschten dem jungen Paar alles Gute für den weiteren Lebensweg.
Während die Männer vorwiegend Geld schenkten, wurde von den Frauen Geschirr
und sonstige
für einen Haushalt benötigten Sachen auf den Gabentisch gelegt.Während
dieser Zeremonie
gelang es den Burschen, einige Teile, bevorzugt Geschirr mit großem Fassungsvermögen,
vom
Gabentisch zu „stehlen“ und davonzutragen.
Danach bedankte sich einer der Wortmänner im Namen des jungen Paares für die
Geschenke.
Zur Gaudi der Gäste wurde zuletzt noch ein Riesenpaket gebracht, in dem sich
unter vielen
Verpackungshüllen meist ein Schnuller befand. Nach dem "Gouwen" ging man nach
Hause um
die Kirchenkleider abzulegen. Nach etwa einer halben Stunde versammelten sich
dann alle wieder
auf dem Hochzeitshaus oder im Gemeindesaal zum Mittagessen, zu dem auch die
Pfarrersfamilie
eingeladen wurde. Das Festessen bestand aus einer Hühnersuppe mit anschließender
Tomatensoße
und Fleisch oder aus einem gemischten Braten und Salaten. Man begann mit dem
Essen nachdem
der Pfarrer das Tischgebet gesprochen hatte. Früher wurde das Essen von den
Burschen aufgetragen,
später waren es jüngere Frauen aus der Verwandtschaft. Während die Kapelle einen
flotten Marsch
spielte, kamen diese mit weißen Schürzen aus der Küche marschiert. In den Händen
trugen sie
Schüsseln mit dampfender Suppe. Manchmal machten sich die Frauen einen Spaß
daraus und foppten
die vielen erwartungsvollen Gäste indem sie die Suppe wieder hinaus trugen.
Nach dem Mittagessen
schickte die Hochzeitsmutter junge Mädchen mit Suppe zu den Alten und Kranken
des Dorfes.
Später spielte die Musik dann zum Tanze auf. Es wurde Platz geschaffen indem
man zwei Tischreihen
abbaute und hinaustrug. Früher, als es noch keinen Saal gab, tanzte man bei
schönem Wetter auch im
Hof des Hochzeitshauses, wobei man auch viele Zaungäste hatte. Im Verlaufe des
Nachmittags gelang
es einem der Jungen, der Braut den Schuh zu entwenden und zu verstecken, den
nun der Bräutigam
auslösen mußte.
Einen feierlichen Höhepunkt im Verlauf des Festes bildete die Abnahme
des Bortens mit dem
Myrtenkränzchen. Diese Handlung wurde schon vorher vom Wortmann angekündigt.
Die Mädchen
und Burschen aber auch junge Frauen bildeten einen Kreis, in dessen Mitte das
Brautpaar auf zwei
Stühlen Platz nahm. Dann wurde dieses Lied gesungen:
1) Es blühen Rosen, es blühen Nelken,
Es blüht ein Blümelein, Vergißnichtmein.
Refrain:
Drum sag ich's noch einmal, schön sind die Jugendjahr,
Schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr.
Sie kommt nicht mehr, ja mehr, Sie kommt nicht wiederum her,
Sie kommt nicht mehr zurück, die gold'ne Zeit.
2) Und auch der Weinstock, der treibet Reben,
Und aus den Reben fließt kühler Wein.
Refrain:
3) Schön ist die Jugend zu frohen Zeiten,
Schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr.
Refrain:
Dann folgte das zweite Lied:
Ir Medscher triet en den Rouen,
As Frengdan wird äs verzouen.
Mer wallen sä amronjen,
Und sä zer Iurdnung zwoingen.
Refrain:
Erou
met dem Biurten, Nea hirscht tea noch net,
En Med mät em Mun, dot git et jo net.
Ereus met dem Maschken eus dem Zepchen,
Mer wid dir nea däck uch det Krepchen.
Sängt tea hegt houst geschwiuren,
Houst tea denj Riecht verliuren.
Refrain:
Nea sack det Geschliejer end moch dich beriet,
Mer schriest tea der uch deng Ujelcher riut.
Et äs nea olles vergongen,
Tea wirscht ols jang Fra empfongen.
Refrain:
Deutsch:
1) Ihr Mädchen tretet in den Reihen,
Unsere Freundin wird uns verzeihen.
Wir wollen sie umringen,
Und sie zur Ordnung zwingen.
Refrain:
Herab
mit dem Borten, na hörst du noch nicht!
Ein
Mädchen mit einem Mann, das gibt es doch nicht!
2) Heraus mit den Maschen aus dem Zöpfchen,
Und wenn dir auch dick wird das Kröpfchen.
Seit du heut' hast geschworen,
Hast du dein Recht verloren.
Refrain:
3) Jetzt such den Schleier und mach dich bereit,
Und weinst du auch deine Augen rot.
Es ist jetzt alles vergangen,
Du wirst als junge Frau empfangen.
Refrain:
Nach diesem Lied nahm der Wortmann der Braut den Borten mit dem Myrtenkränzchen
und
dem Bräutigam das Sträußchen vom Hut und von der Brust ab und übergab diese
Zeichen der
Jugend der Schwiegermutter. Zum Abschluß sangen die im Kreis stehenden Freundinnen
noch
folgendes Lied:
Meine herzgeliebten Eltern,
Von Herzen dank ich euch,
Weil ihr in meiner Jugend,
viel Gutes mir erzeugt.
Ihr habt mich großgezogen,
Mich in die Schul' geschickt,
Mit Schmerzen mich geboren,
Bis hierher mich beglückt.
Nun ist die Zeit gekommen,
Daß ich den Bund auch schließ,
Die Scheidestund' ist 'kommen,
Lebt wohl und seid gegrüßt.
Ich tret' aus eurer Mitte,
In ein anders Vaterhaus,
Ich tue heute Schritte,
Ins neue Vaterhaus.
Herzgeliebte Schwiegereltern,
Ich bitt' euch, nehmt mich an,
Zu eurem lieben Kinde,
Mit meinem jungen Mann.
Nach diesem Lied folgte der „Gangfraenroun" (Tanz der jungen Frau). Der jungen
Frau und dem
jungen Mann wurde eine Schürze vorgebunden, deren Zipfel verknotet wurden, so
daß sich eine
große Tasche bildete. Dann spielte die Musik einen langen Walzer, Zeit, in der
sämtliche Männer
mit der jungen Frau und sämtliche Frauen mit dem jungen Mann einige Takte tanzten
und dabei in
die Schürze ein „Kotschengeild" (Windelngeld) einwarfen. Nach Beendigung dieses
Tanzes ging die
junge Frau zum „Schleijern" (Schleier anlegen).
Nach ihrer Rückkehr stellte man sich zu einem Zug auf und begleitete das junge
Paar mit Musik
wieder bis vor die Eingangspforte der Kirchenburg. Von hier gingen zwei gebockelte
Frauen mit
der Jungverheirateten in die Kirche, wo sie der Pfarrer schon erwartete, um
die „junge Frau "
einzusegnen und ihr den neuen Platz in der Kirche zu zeigen. Anschließend ging
der ganze
Hochzeitszug mit dem jungen Paar zum „Versteichen" (Verstecken). Versteckt wurde
die junge
Frau bei einem näheren Anverwandten. Während sie mit zwei gebockelten Frauen
in der guten Stube
hinter einer Decke verschwand, mußte der junge Mann draußen warten. Nun wurde
er ins Zimmer
gerufen und mußte, vor der Decke stehend, den Platz der eigenen Frau erraten.
Erriet er es nicht,
mußte er den Burschen ein vorher ausgemachtes Maß an Wein geben und auf dem
Weg zurück
zum Hochzeitshaus oder zum Gemeindesaal mit der Frau gehen welche er erraten
hatte. Während
dieser Zeit wurde im Hof getanzt. Erschien das junge Paar und die übrigen Frauen
im Hof, nahm
man wieder Aufstellung und mit Musik ging es in den Saal zurück. Gegen Abend
leerte sich dieser
dann für einige Zeit, weil das Vieh daheim versorgt werden mußte. Zum Abendessen
waren aber
alle Gäste wieder da. Es gab meist gemischten Braten mit Kartoffeln und Sauerkraut.
Vor jedem
Essen wurden die zwei mittleren Tischreihen wieder in den Saal gebracht und
nachher wieder
hinausgetragen, um für die Tänzer Platz zu schaffen. Um Mitternacht gab es das
"Gefeallt Kreukt"
aus Sauerkraut mit Krautwickeln und Rahm. Danach verließen einige der Gäste
das Fest. Die
meisten aber blieben und feierten bis in die frühen Morgenstunden. Die ganze
Zeit über waren die
restlichen Tische gedeckt, die Teller voll mit Gebäck. Die Flaschen wurden immer
wieder nachge-
füllt, denn wurde eine leere Flasche entdeckt, fing man auch schon zu singen
an:
"Wein her, Wein her, oder ich fall um.
Soll der Wein im Keller liegen
und wir hier vor Durst krepieren?
Wein her, Wein her, oder ich fall' um."
Schnell wurden die leeren Flaschen durch volle ausgetauscht. Gegen Morgen wurde
mit dem
übriggebliebenen Braten noch „Broudenlawend" (=saure Fleischsuppe) gemacht und
dann hatten
auch die Unentwegtesten genug und gingen heim oder mußten zur Arbeit fahren.
Am Morgen nach
der Hochzeit trafen die Helferinnen und Helfer, also die nähere Verwandtschaft,
wieder auf dem
Hochzeitshaus oder im Gemeindesaal zusammen, um alles wieder abzuräumen und
das Lokal sauber
zu übergeben. Dabei genoß man vom Übriggebliebenen und das war reichlich. Die
Tische und Bänke
wurden wieder mit dem Pferdewagen zu den Eigentümern gefahren. Dabei ließ man
frische Eier
mitgehen, welche die Hühner am Morgen gelegt hatten. Daraus wurde dann ein dünner
Teig angerührt
und es wurden „Platschinta" (=Pfannkuchen) gebacken. Dem jungen Paar wurde das
am Vortag
„gestohlene" Geschirr wieder zurückgebracht. Als Auslöse wurde meist der Inhalt
des Gefäßes in
Wein ausgehandelt, den die Burschen dann tranken. Früher wurde auch um das „Reis"
verhandelt.
Meist wurde für das Abbauen und Entsorgen des Baumes ein Liter Wein für den
laufenden Meter
ausgemacht. Mit der Hochzeit trat das junge Paar aus der Bruder-
und Schwesterschaft aus und
amnächsten Sittag grüßte sich der junge Mann in eine der drei Nachbarschaften
ein. Dasselbe tat auch
die junge Frau bei den Frauen der Nachbarschaft. In den letzten Jahrzehnten,
mit Zunahme der
Bewegungsfreiheit der jungen Leute (Schule, Pendeln, Arbeit in der Fabrik),
hatte sich ihr Verkehrskreis
erheblich erweitert und damit auch ihr Heiratskreis. Sie heirateten immer öfter
einen Partner von außerhalb
des Dorfes. Nach und nach wurden auch die ethnischen Barrieren überschritten
und es kam vor, daß man
ungarische oder rumänische Partner heiratete. Die Eltern sahen das zwar nicht
gerne, konnten aber nichts
machen, weil das Kind schon auf eigenen Beinen stand. Im allgemeinen war die
Jugend, Nichtsachsen
gegenüber, viel toleranter als früher.
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