Tod und Begräbnis
In Almen standen sich die Dorfbewohner
nicht nur bei Freudenfesten bei, sondern auch beim Ableben eines Angehörigen.
Von wenigen Ausnahmen abgesehen, starben fast alle Almer zu Hause und nicht
irgendwo in einer Klinik auf der Intensivstation. Schon bei längerer Krankheit
wurde die Hilfe der Gemeinschaft bemerkbar durch die Krankenbesuche, die gemacht
wurden. Verschlechterte sich der Zustand, wurde der Kranke von seinen Angehörigen
nicht mehr alleingelassen. Man war bemüht, die Schmerzen zu lindern und
sich auf besondere Weise um den Kranken zu kümmern. Starb jemand in Almen,
sagte man: "E/et hout sich bezoult" (Er/sie hat sich bezahlt),
oder: "E/et äs erleist" (Er/sie ist erlöst).
Nach Eintritt des Todes wurden
dem Toten Mund und Augen geschlossen und der große Spiegel in der guten
Stube, in die der Tote aufgebahrt wurde, verhängt.
Dem Toten wurden die
schönsten Kleider angezogen und er wurde mit gefalteten Händen über
der Brust auf die Totenbank der Nachbarschaft gelegt, die in die Mitte des Raumes
gestellt wurde. Über den Kopf legte man ein Kopftuch. Nach der Einsargung
stellte man den Sarg auf diese Bank.
Der Verstorbene blieb bis zum Begräbnis im Haus. Üblicherweise waren
das etwa zwei Tage. Ein naher Verwandter ging nun in Sonntagstracht zum Nachbarvater
und meldete das Ableben des Betreffenden. Dieser überbrachte die Nachricht
dem Pfarrer und dem Burghüter. Gleichzeitig ging ein naher Verwandter des
Verstorbenen zum Leichenbeschauer und zum Gemeindeamt.
Nachdem der Burghüter
verständigt war, stieg er auf den Turm und läutete mit der kleinen
Glocke eine halbe Stunde lang.
"Em klingelt, wei wid gestorwen sen"
(Man klingelt, wer wird gestorben sein), ging es dann durchs ganze Dorf. Die
Adjuvanten, die den Trauerzug begleiten sollten, begannen ihre Probe.
Am nächsten
Tag fuhr man mit dem Pferdewagen nach Mediasch um den Sarg zu holen. Ein naher
Verwandter ging auf den Pfarrhof und teilte dem Pfarrer den Lebenslauf des Verstorbenen
mit und vereinbarte auch den Termin des Begräbnisses. Der Nachbarvater
verschickte in der betreffenden Nachbarschaft das Nachbarschaftszeichen, welches
von Haus zu Haus ging und die Nachbarn zum Begräbnis einlud. Die Teilnahme
am Begräbnis war verpflichtend. Wer von der Arbeit nicht freikommen konnte,
musste einen Ersatzmann stellen. Der Jungnachbarvater ging von Haus zu Haus
und sammelte den Beitrag zum Leichenfond ein, der den Angehörigen des Verstorbenen
als Hilfe zur Deckung der Begräbniskosten übergeben wurde.
Abends gingen Verwandte, Freunde und Bekannte zur Totenwache "wochen"
(wachen). Beim Betreten des Trauerhauses sagte man: "Mer nein uch Undeil
un irem Kummer" (Wir nehmen auch Anteil an eurem Kummer) oder später
auch: " Menj harzlich Baleid" (Mein herzliches Beileid). Als
Antwort erhielt man: "Mer souhn ich Dunk" (Wir sagen euch Dank).
Für die Totenwache wurde
frisches Brot gebacken. Ein Laib wurde herumgereicht, ebenfalls eine Flasche
Wein. Während die Frauen in der guten Stube rings um den Sarg saßen,
nahmen die Männer im "Heus" und in der hinteren Stube
Platz.
Das Grabmachen "det Grafmouchen" besorgten sechs jüngere
Männer aus der Verwandtschaft. Sie trafen sich am Tage der Beerdigung im
Trauerhaus und nach einem Essen gingen sie auf den Friedhof, wo eine Angehörige
ihnen die Stelle zeigte, an der das Grab gemacht werden sollte. Das Grab wurde
immer erst am Tag der Beerdigung ausgehoben, weil ein Grab nachts nicht offen
stehen durfte. Meist wurde die Grube 2,50 bis 3 m tief ausgeschachtet. Später
trug man noch ein kaltes Essen auf den Friedhof und nach dem Verzehr und einem
Schluck Wein gingen die Grabmacher nach Hause.
Die Leichenfeier fand in der Regel am frühen Nachmittag statt und als Einleitung
wurde vorher mit der kleinen Glocke eine halbe Stunde lang geläutet. Nach
einer kurzen Pause läutete man mit allen Glocken zusammen etwa fünf
Minuten für die Nachbarschaft und nach einer weiteren Pause mit der großen
Glocke für den Pfarrer und die Adjuvanten.
Die Männer bildeten im unteren
Teil des sauber gekehrten Hofes einen Halbkreis, die Frauen standen weiter vorne.
Die Frauen der nächsten Verwandtschaft begaben sich ins Haus, wo sie um
den geöffneten Sarg standen oder saßen. Nun ging der Nachbarvater
mit den vier jüngsten Nachbarn ins Haus und bat um die Freigabe des Sarges:
"Noudem et asem Herrgott gefol-len hout, äsen lawen Nouber/ äs
law Nouberan ous deser Zetlichket an de Iwichket ouzeberofen, wessen mer dot
senj iwerrestlich Leiw of desem Erdrech nichemih Verbleiwen hot. Doram erschengen
ich ha em Numen der ehrsamen Noberscheft und holden bittlich un, en äs
eusfoljen ze lossen dot mer en of dem Ocker Gottes der Motterierd iwergiehn
kennen. Dir ower, lawer Nober/ law Noberan wänschen ich den iwigen Friden"
(nachdem es unserem Herrgott gefallen hat, unseren lieben Nachbarn/ unsere
liebe Nachbarin aus dieser Zeitlichkeit in die Ewigkeit abzuberufen, wissen
wir daß sein überrestlicher Eeib auf diesem Erdreich kein Verbleiben
mehr hat. Deshalb erscheine ich hier im Namen der ehrsamen Nachbarschaft und
halte bittlich an, ihn uns ausfolgen zu lassen damit wir seinen Leib auf dem
Acker Gottes der Muttererde übergeben können. Dir aber lieber Nachbar/
liebe Nachbarin wünsche ich den ewigen Frieden).
Ein Mitglied der Nachbarschaft oder ein anderer Verwandter antwortete: "Nachdem
Gott unser Vater die Seele unseres lieben Nachbars/ unserer lieben Nachbarin
abberufen hat, wissen auch wir, daß sein/ ihr restlicher Leib auf diesem
Erdreich kein Verbleiben mehr hat. Deshalb wollen wir seinen/ ihren Leib der
ehrsamen Nachbarschaft übergeben, damit sie ihn auf dem Acker Gottes zur
ewigen Ruhe bette, wo er/sie warten wird auf das Gericht Gottes bis zum jüngsten
Tag." Dann wurde der Sarg geschlossen und aus dem Hause getragen. Beim
Herausbringen entblößten alle Männer das Haupt. Die Adjuvanten
bliesen den Choral "Meine Lebenszeit verstreicht", den die Gemeinde
mitsang. In dieser Zeit wurde die Totenbank im Hof aufgestellt, auf die dann
der Sarg gestellt wurde.
Dann hielt der Pfarrer die Leichenpredigt, die eine Darstellung und Würdigung
des Lebenslaufs und allgemeine Betrachtungen über Leben und Sterben beinhaltete.
Danach sangen die Adjuvanten und abschließend sprach der Pfarrer noch
ein Gebet.
Anschließend traten die
acht jüngsten Mitglieder der Nachbarschaft zum Sarg. Je vier auf einer
Seite hoben sie den Sarg mit den Tragbäumen hoch. In diesem Moment überschlug
man die Totenbank um nicht noch einen Toten in diesem Hause beklagen zu müssen.
Die Träger hingen ihre Schulterriemen an die Tragbäume und nun formierte
sich der Trauerzug. Voran gingen die Adjuvanten, die einen Trauermarsch spielten.
Es folgte der Pfarrer mit dem Kurator oder einem Kirchenvater, der Sarg und
dahinter die nächsten Anverwandten, dann die Nachbarschaft, schließlich
die Frauen und anschließend die Männer. Fand das Begräbnis an
einem Sonntag statt, war die gesamte Jugend verpflichtet am Begräbnis teilzunehmen.
Bei der Pfarrersbrücke (das war die Brücke, über die man zum Gemeindesaal, zum Pfarrhaus und zur Kirche gelangte)angekommen, verstummte der Trauermarsch und man
begann mit allen Glocken zu läuten. Im Friedhof am Grabe angekommen, wurde
der Sarg mit langen Seilen ins Grab gesenkt.Der Pfarrer sprach vor offenem Grab
ein Gebet das in schlichte Einsegnungsworte mündete und mit dem Vaterunser
endete. Nachdem die Angehörigen Erde oder Blumen ins Grab geworfen hatten,
begann die Nachbarschaft das Grab zuzuschaufeln. Nach Beendigung legten sie
die Arbeitsgeräte kreuzweise über den Grabeshügel. Während
dieser Zeit bliesen die Adjuvanten einen Choral.
Beim Begräbnis eines Jugendlichen war es selbstverständlich, daß
die gesamte Bruder- und Schwesterschaft daran teilnahm. Beim Leichenzug gingen
die Mädchen in Kirchentracht mit Borten voran, während die Burschen,
ebenfalls in Kirchentracht, den Sarg trugen. Im Friedhof angekommen, bildeten
die Mädchen ein Spalier durch welches der ganze Trauerzug durchging.
Während des Begräbnisablaufs
wurde im Haus des Verstorbenen von Anverwandten alles für das Leichenmahl
vorbereitet. Nach dem Begräbnis wurde zum Tränenbrot eingeladen. Die
Grabmacher durften nicht vergessen werden. In Almen wurde zu dieser Gelegenheit
"Broudenlawend" gekocht. Schon am nächsten Tag gingen die Angehörigen
des Verstorbenen in den Friedhof und sahen nach, ob auch alles in Ordnung sei.
Jetzt konnte man seinen Gefühlen freien Lauf lassen.
Am folgenden Sonntag betete der Pfarrer für den Verstorbenen, und am Totensonntag
für alle, die in dem Jahr verstorben waren. Die Trauerzeit betrug für
die Angehörigen in der Regel ein Jahr. Äußerlich zeigte man
durch die dunkle Kleidung, daß man in Tauer war. In dieser Zeit ging man
nicht auf Tanzunterhaltungen oder zu anderen lustigen Veranstaltungen. Entfernte
Verwandte trauerten vier bis sechs Wochen.
Die Toten wurden durch das Pflegen ihrer Gräber
geehrt. Die Gräber wurden von den Angehörigen gepflegt, die Friedhofswege
von den Frauen und Mädchen des Ortes.
Als dann die Aussiedlung verstärkt einsetzte, deckten immer mehr Landsleute
die Gräber ihrer Verstorbenen mit einem Betondeckel zu. Dieses machten
sie, weil niemand mehr da war, um die Gräber zu pflegen. Zur Zeit lässt
die Friedhofspflege in Almen zu wünschen übrig, weil man sich auf
die Zigeuner nicht verlassen kann, obwohl man von hier aus auch bereit wäre,
etwas für die Pflege zu zahlen.
Auch hier in Deutschland finden sich die Landsleute anlässlich eines Begräbnisses
zusammen und reisen von weit her um dem Anverwandten, dem Nachbarn oder dem
Freund die letzte Ehre zu erweisen.
Aus dem Almer Heimatbuch
von
Mathias Pelger